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Ganz einfach.....

Ich bin Achmed. Ich habe in der Schule Schreiben und Lesen gelernt und bin dann Bäcker geworden. Als der Krieg immer näher kam, hat eine Granate meine Backstube getroffen und alles vernichtet. Ich bin vor den Feinden geflohen.

Jetzt bin ich hier in Feucht. Bei der Regierung von Feucht habe ich mir Geld abgeholt und einen Zettel mit vielen Worten und Zahlen erhalten. Eine nette Frau hat mit dem Finger auf verschiedene Stellen dieses Papiers gedeutet und dazu etwas gesagt, von dem ich kein Wort verstanden habe. Öfters kamen die Worte „ganz einfach“ vor. Weil ich aber ein höflicher Mensch bin, habe ich freundlich gelächelt und mit dem Kopf genickt.

Nach einigen Tagen begann ich Deutsch zu lernen. Da sind so komische Buchstaben und die Worte musste ich von hinten nach vorne lesen ich habe es anders gelernt. Auch die deutschen Bücher fangen für mich von hinten an. Seltsam.

Eines Tages erhielt ich die Aufforderung, nach Zirndorf zu einer Anhörung zu kommen. Man erklärte mir, dass morgen früh um acht Uhr ein deutscher Betreuer vor der Tür steht. Der wollte so freundlich sein, mich zum Bahnhof zu begleiten und er sollte mir sagen, wie ich mit der Bahn nach Zirndorf komme.

Wir gingen also zum Bahnhof. Auf dem Weg deutete er immer wieder auf Straßenschilder und tippte sich dann an den Kopf. Was meinte er wohl damit? Auf dem Bahnhof angekommen habe ich nach einem Schalter gesucht, wo ich einen Fahrschein kaufen konnte. Mein Begleiter schüttelte den Kopf und zeigte auf einen roten Kasten mit einem großen Fenster. Ich dachte: viel zu klein für einen Fahrkartenverkäufer. Ich war ratlos.

Zum Glück war mein freundlicher Betreuer noch da. Der hat ein paarmal auf das Fenster getippt und sich dann von mir fünf Euro geben lassen. Mit diesem Schein hat er den Kasten gefüttert und heraus kamen ein bedrucktes Papier und etwas Kleingeld.

Nun zeigte er mir auf dem Zettel mit den vielen Buchstaben und Zahlen eine Zahl und daneben das Wort „Feucht“. Dann darunter eine Zahl mit dem Wort „Nürnberg Hbf.“ Er erklärte mit vielen Gesten, dass ich dort aussteigen und in einen anderen Zug gehen müsste. Der Zug hieß „S 4“.

Also stieg ich ein und los ging die Reise. Nach etwa 10 Minuten hielt der Zug und alle stiegen aus. Ich folgte ihnen. Die Treppe runter und dann nach rechts. Aber hier war der Bahnhof zu Ende. Was nun? Den Zettel raus und einen freundlich aussehenden Menschen ansprechen, oder besser gesagt, mit Gesten auf meinen Zettel deuten und mit den Schultern zucken.

Er deutete in die entgegengesetzte Richtung auf einen dunklen Tunnel hin. Also trabte ich los und sah an den Treppenaufgängen Anzeigen mit Buchstaben und Zahlen. Ganz am Ende des Tunnels las ich „S 4“. Die Treppe hoch und in den Zug, der dort stand. Zu meinem Glück kam eine nette Frau und fragte „Fahrschein?“. Ich hatte den. Nun wurde ich kühn und zeigte auf das Papier und den Namen „Anwanden“. Sie sagte das Wort zweimal und zeigte auf den Lautsprecher an der Decke des Abteils.

Bald merkte ich, dass aus dem Lautsprecher Worte kamen und dann einige Leute aufstanden und beim nächsten Halt ausstiegen. Angestrengt lauschend vernahm ich dann das Wort „Anwanden“. Ich sprang auf und eilte zur Tür. Der Zug hielt und ich konnte mit einigen anderen aussteigen. Alle liefen aus dem Bahnhof. Davor stand eine gelb/grüne Stange mit einem runden „H“ am oberen Ende. „Könnte eine Haltestelle sein.“ dachte ich und da kam auch schon ein Bus mit der Nummer 151. Diese Nummer stand auch auf meinem Zettel. Also vorne eingestiegen und zum Busfahrer gegangen. Dem habe ich dann   meinen Zettel gezeigt. Er hat genickt und mir bedeutet, Platz zu nehmen.

Nach einigen Stationen hielt der Bus wieder einmal und der Fahrer zeigte mir, dass ich aussteigen soll. Mit den Nerven ziemlich am Ende stand ich nun auf der Straße und konnte das Bundesamt für Asylsuchende schon sehen. Ich hatte heute etwas Wichtiges gelernt, nämlich, was ein Deutscher mit „ganz einfach“ meint.

PL